Wenn jemand malt, teilt er seine Emotionen, Gefühle und Wertschätzung für eine Sache,
die er mag oder bewundert, mit und übergibt sie der Öffentlichkeit wie ein Übergangsobjekt,
dessen Pinselstriche der Betrachter je nach Stimmungslage unterschiedlich auslegt;
so wechselte Picasso vom Kubismus zum lebendigen Wesen, um seinen Gefühlen Ausdruck
zu verleihen. Die Beziehung, die das Genie aus Málaga zu Hunden hatte, war nicht
so außergewöhnlich, wie die vielen Fotos vermuten lassen, die ihn in Begleitung
eines Hundes zeigen. Das Genie brauchte Zeit zum Schaffen, und wie sein Vater, der
sich zu den Tauben hingezogen fühlte, die er malte und auf der Plaza de la Merced
in Málaga manchmal fütterte oder in den Taubenschlägen von Freunden bewunderte,
so fühlte sich Picasso zu Hunden hingezogen. Aber da er keine Zeit hatte, sich ihnen
zu widmen, wurde er, wie sein Vater, Maler seines Totemtiers. Frei von der Maske
des Kubismus und seinem quasi sozialen Autismus, sah Picasso im Hund ein treues
Tier, das ihn weder beurteilte, noch verwundert betrachtete. Aber da Picasso seinen
Gefühlen gegenüber sehr kritisch war, fühlte er sich weder physisch noch emotional
in der Lage, für ein so prächtiges Wesen zu sorgen, obwohl ihn diese edle Beziehung
zwischen Mensch und Hund anzog und neugierig machte. Auch wenn Hunde in den Werken
des Meisters aus Málaga immer wieder auftauchen und er sie nicht nur mit Begeisterung
malte, sondern sich auch gerne mit ihnen in allen Facetten seines Alltags ablichten
ließ, wie obiges Bild zeigt, wollte er nicht ihr Besitzer sein und gab diese Verantwortung
entweder an seine Partnerin oder an seine Kinder ab, oder er kümmerte sich um das
Tier eines Freundes nur vorrübergehend oder porträtierte Tiere, die er kannte und
die ihm sympathisch waren.
Wenn wir ein Kind auffordern, ein Tier zu malen, können wir aus psychologischer
Sicht anhand seiner Wahl einige Schlüsse auf den Charakter und die verborgenen Wünsche
des Kindes ziehen. Wer Hunde malt, ist gutmütig, treu und von seinen nächsten Mitmenschen
abhängig. Seine Gutmütigkeit beruht vor allem auf dem Bedürfnis, viele Freunde um
sich zu haben, mit denen es spielen, etwas erleben und Spaß haben kann. Es ist der
Prototyp des sensiblen Kindes. Wenn es die Zuneigung seiner Kameraden nicht gewinnt,
wird es traurig und schwermütig; in der Regel großzügig, reagiert es mitunter, wenn
man es um etwas bittet, mit Knurren und Schnauben und sträubt sich vehement, aber
genauso schnell beruhigt es sich wieder. Solche Kinder haben ferner die Fähigkeit,
Menschen im Nu „zu erschnüffeln“ und für sich zu gewinnen…AUS IHNEN WERDEN MITUNTER
GROSSE SUCHENDE, FORSCHER, POLIZISTEN, PSYCHOLOGEN ODER KÜNSTLER – Picasso war ein
Suchender, ein Forscher und ein großer Künstler.
Der Hundefreund und Psychologe Dr. V. G. Mancuso teilt meine Auffassung von Picassos
Charakter - er aufgrund seines Berufs, ich ebenso aufgrund meiner Studien der Morphopsychologie,
der Lehre, aus Gesichtern zu lesen, und der Graphologie, der Analyse der Handschrift.
Von einem der berühmten Biografen des Malers und seines Werks, Rafael Inglada, stammt,
neben anderen Aufzeichnungen aus meinem persönlichen Archiv, die Aufstellung der
Hunde, die Picasso in seinem Leben oder in seinen Werken oder in beidem begleitet
haben:
Clipper (La Coruña, 1891-1895), ein „Hund“, Picasso malte ihn 1895. Er gehörte
ihm nicht.
Feo (Paris, ca. 1904), ein anderer „Hund “, Picasso malte ihn 1904-1905.
Er gehörte ihm nicht.
FRIKA, Mischlingshündin, die Picasso und Fernande Olivier zur Gesellschaft
zuerst in Bateau-Lavoir, Paris, hielten (ca. 1904-1909). Wenig später nahmen sie
einen anderen Hund namens *Gat auf. 1907 fertigte Picasso einige Zeichnungen
von
der Hündin mit ihren Welpen an. Nach dem Umzug in den 11 Boulevard de Clichy, lebte
Frika 1909 wieder bei Picasso, zusammen mit *Monina und ein paar *Katzen.
Ein Jahr
später (1910) reiste sie mit Picasso und Olivier nach Cadaqués. 1912, nach seiner
Trennung von Fernande Olivier, kam die Hündin für mehrere Tage zu Georges Braque
und wurde dann nach Céret geschickt, wo sich Picasso und Eva Gouel ihrer annahmen.
GAT. Hund, der – zusammen mit *Frika – für einige Zeit mit Picasso in Bateau-Lavoir
lebte (1904-1905). Im Dezember 1904 fertigte Picasso von ihm eine Bleichstiftzeichnung
auf Papier an: „Der Schauspieler. Studie der Gestalt mit Köpfen von Fernande im
Profil, Hände, Ohr und Hund Gat“ (Privatsammlung). Er starb vermutlich 1906.
Ein Foxterrier (Drahthaar), Name unbekannt. Picasso und Fernande Olivier
bekamen diesen Hund möglicherweise von Miquel Utrillo in Barcelona aus Anlass der
Reise der beiden nach Gósol (Lleida) im Mai 1906. Am 21. Juni desselben Jahres schrieben
sie von dort an Guillaume Apollinaire und erzählten ihm von diesem Hund, den man
ihnen in Barcelona geschenkt habe.
Sentinelle (Aviñón, 1914), ein anderer Hund, um den er sich kümmerte, auch
wenn er eigentlich dem Maler André Derain gehörte, der ihn ebenfalls malte.
Bob (Boisgeloup, 30er Jahre) ein Bernhardiner. Es ist nicht bekannt, ob er
ihm gehörte oder ihm von Freunden nur vorübergehend überlassen wurde.
Noisette (Paris, 30er Jahre), ein Airedale Terrier, den er 1933 von einer
Reise nach Barcelona mitbrachte (er scheint ihm gehört zu haben). Diese Rasse war
bei den Intellektuellen jener Zeit sehr beliebt, wie beispielsweise bei Francisco
Pino, einem berühmten spanischen Dichter aus Valladolid.
Ricky (Paris, 40er Jahre), ein Wasserhund (gemeint ist ein Pudel), der vermutlich
seiner Tochter Maya gehörte.
Kasbek (Paris, 40er Jahre), ein Afghanischer Windhund. Picasso zeichnete
ihn verschiedentlich in den 1940er Jahren.
Yan (Cannes, 50er Jahre), ein Boxer, den er ebenfalls malte.
Lump (Cannes, 50er Jahre), ein Dackel, der Duncan gehörte und den er auf
einem Teller malte. Der Hund starb 1973, im selben Jahr wie Picasso.
Perro (Cannes-Vauvenargues, 50er und 60er Jahre), ein Dalmatiner, den Picasso
verschiedentlich malte. Er gehörte ihm nicht.
Kaboul (Vauvenargues-Mougins, 60er Jahre), ein Afghanischer Windhund.
Sauterelle (Mougins, 60er und 70er Jahre), ein Afghanischer Windhund.
Igor (Mougins, 70er Jahre), ein Afghanischer Windhund, der Jacqueline gehörte
und nach Picasso starb.
Schlussbemerkung: Der große Mythos des Kubismus des 20. Jahrhunderts liebte Hunde,
besaß aber selbst keinen im eigentlichen Sinne. Vielmehr delegierte er die Verantwortung
und die Fürsorge für diese Tiere an seine Familie, Freunde oder Lebenspartner, da
er sich, selbstkritisch betrachtet, nicht für einen guten Hundebesitzer hielt. Frei
nach Saint-Exupéry hatte Picasso niemals das Privileg, sich von diesen großartigen
Tieren zähmen zu lassen.
Dr. Vincenzo Gianluca Mancuso (psychologischer Teil) und Rafael Fernandez de Zafra
(historischer Teil)